Aller guten Dinge sind – vier! … Oder?

Wir wurden eingeladen, einen Artikel für die aktuelle Ausgabe von TAU-dem Magazin für Barfusspolitik zu schreiben. Und daraus ist eine Geschichte des FreuRaums geworden…:

Übers Scheitern, Aufstehen und Weitergehen.

Es ist Montag, Anfang Oktober. Wir – Anja und Birgit – sitzen rund um den alten Küchentisch im FreuRaum – einem Herzensprojekt, das uns beide zusammengebracht hat. Letzte Woche war der erste Infoabend zu diesem neuen Projekt. Von den noch leeren Wänden hallt unsere Hoffnung wider und unser Glaube daran, dass sich aus jedem „Scheitern“ neue Möglichkeiten eröffnen und neue Wege gegangen werden können.

Derzeit ist der FreuRaum in Eisenstadt noch ein Projekt, demnächst hoffentlich ein neu eröffnetes Lokal und ein Ort, an dem Vieles, was nicht nur für uns wertvoll ist, geschehen mag. Im HerzRaum können Menschen einander begegnen, neue Beziehungen knüpfen, Talente und Gedanken austauschen – im GenussRaum wird regional, saisonal, naturnah und frisch gekocht – der NutzRaum ist offen für Workshops und Veranstaltungen, ein Reparatur-Café, eine Nähwerkstatt …  – und der SchauRaum hat Ladenfächer, um alte Möbel und junges Gemüse, Kunst und Kunsthandwerk sowie regionale Produkte anzubieten.

Der Grundstein zum FreuRaum wurde vor vier Jahren gelegt. Jetzt sind wir im vierten Anlauf. Man könnte sagen, das Vorhaben ist bereits mehrfach gescheitert, oder aber: Die Zeit war noch nicht reif!

2014 haben sich fünf Frauen (darunter Anja) mit ihren Träumen gemeinsam auf eine Reise gemacht. Die Ur-Version und auch der Name wurden entwickelt. Eifer und Ungeduld trieben sie an, schnell sollte es gehen. Bald jedoch hatte der Traum ein jähes Ende: Räumlichkeiten zu teuer, Pessimismus im Team, persönliche Lebenswege gingen auseinander.

Zwei Jahre später folgte ein zweiter Anlauf, motiviert durch eine in Aussicht stehende Förderung. Ein neues Team formierte sich – 20 Menschen wollten gemeinsame Werte leben. Der Förderantrag wurde abgelehnt, Frustration machte sich breit und das zweite Aufgeben folgte. Die brennende Frage nach den eigenen Fehlern, die für das „Scheitern“ verantwortlich waren, konnte nicht beantwortet werden.

2017 war neuer Schwung da: Eine frisch zusammengewürfelte Gruppe begann mit der Verwirklichung des Bioladens. Nach anfänglicher Euphorie wurde rasch klar: Die Ziele und Zugänge waren zu unterschiedlich und wieder einmal keine passenden Räumlichkeiten zu finden. Es entstand ein Richtungskonflikt mit zerstörerischer Dynamik. Nach längeren Aussprachen verließen einige das Team und auch diese Version von FreuRaum war gescheitert. Doch das Kernteam fühlte sich durch all die Auseinander- und Neuzusammensetzungen bestärkt, den Weg weiterzugehen, denn die Vision blieb bestehen.

Vier Jahre Vorarbeit machten sich bezahlt. Anfang 2018 kamen Neue (darunter Birgit) mit ihren Ideen und viel Elan ins Team. Vier Frauen und ein Mann planten nun, definierten ein Leitbild und einigten sich auf gemeinsame Werte – der Rucksack war gepackt! Das gemeinsame Ziel ist klar vor unseren Augen: Den FreuRaum in Eisenstadt als Genossenschaft zu gründen. Auch diesmal gab es Rückschläge – Absagen, Richtlinien, die es uns schwer machten. Doch der FreuRaum bekam schnell eine Eigendynamik. Wenn eine Tür sich schloss, ging eine andere auf. Das positive Feedback war und ist überwältigend.

Und dennoch: Manchmal, meist in der Nacht, kriecht die Angst vor dem Scheitern unter dem Türspalt durch und schleicht sich ins Schlafzimmer. Die Angst, dass viele Menschen ihr vertrauensvoll in die Genossenschaft investiertes Geld verlieren könnten und dass wir „in Schande“ am Pranger stehen. Als die „Naiven“, die geglaubt haben, ein Social Business in Eisenstadt könnte funktionieren. Am Morgen ist die Angst wieder verblasst und es geht weiter. Unzählige Dinge sind zu tun.

Wir schreiben den Artikel Anfang Oktober. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, ob der FreuRaum tatsächlich wie geplant im Februar 2019 eröffnen wird. Die Anlagengenehmigung ist noch ausständig, die Finanzierung über Crowdfunding (FreuPakete gibt’s auf unserer Homepage) und Förderungen sind in Vorbereitung. Was uns täglich bestärkt, ist die gute Resonanz und unsere Freude daran. Scheinbar erfüllen wir mit dem FreuRaum die Bedürfnisse vieler Menschen dieser Zeit. Wenn du dieses TAU liest, finden gerade ein PopUp Weihnachtsmarkt und Kulturveranstaltungen als Zwischennutzung im FreuRaum statt. Oder du hast dir mit dem Lesen Zeit gelassen und kannst unter www.freu-raum.at bereits erfahren, ob es diesmal geklappt hat. Wenn es uns gelingt, dass der FreuRaum beim vierten Anlauf seine Türen öffnet, freuen wir uns, dich hier mal persönlich zu begrüßen! Wenn nicht, dann wird es einen nächsten Anlauf geben.

Anja Haider-Wallner

ist inspiriert von der Vision des „guten Lebens für Alle“. Als Unternehmerin, Unternehmensberaterin und Trainerin begleitet sie Menschen, dieses gute Leben für sich und andere zu entdecken und entwickeln. Sie schreibt Kochbücher, kocht u. a. mit Jugendlichen und ist grün-politisch tätig. Als Coach unterstützt sie Frauen dabei, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.

Web-Marketing | Gemeinwohl-Ökonomie | gutes Leben & Essen | Moderation & Training

www.anjahaiderwallner.at

Birgit Prochazka

interessieren als Pädagogin sowie Kultur- und Sozialanthropologin zwischenmenschliche Begegnungen. Sie engagiert sich besonders für einen vorurteilsbewussten Umgang miteinander und in der Arbeit mit und für Asylwerber*innen. Lebt mit Partner und Kindern in der Nähe von Eisenstadt.

Der FreuRaum in Eisenstadt ist ein gemeinsames Herzensprojekt.

 

Das aktuelle TAU kann übrigens im FreuRaum um 8 Euro erstanden werden. Noch viele weitere Beträge rund ums Scheitern und Gescheiter-Werden sind darin zu erlesen.